Moorburger Engel

Die Grabplastik stellt einen Jüngling in einem griechischen Gewand dar. In der Gestik und dem klassischen Aussehen erinnert die Figur an die Darstellung des Paris von Sandro Botticelli.

Es handelt sich bei der Figur um eine Kerngalvanoplastik. Diese Form von Plastik wurde in einem Zeitraum von etwa 1890 bis ca.1940 hergestellt. Größtenteils wurden Grabplastiken in Form von Christusfiguren, Kruzifixen, Engeln und Trauernden von der Firma WMF in Geislingen an der Steige produziert. Laut der Datierung der Grabanlage handelt es sich um eine sehr frühe Galvanoplastik der WMF. Das spiegelt sich auch in der Gesamtgröße der Figur und der Ausführung der Kupferhaut wieder.

Das Grabmal dokumentiert aufgrund seiner zwischen 1885 und 1920 zeittypischen beliebten figürlichen Grabmaldarstellung den Beginn der Grabmalindustrie, die durch die produktionelle Aufspaltung von Auftraggeber und Künstler charakterisiert ist – während Grabmale zuvor meist aus einer Hand von Zimmermann, Schmied oder Steinmetz gefertigt wurden. Es ist somit ein Zeugnis für die technische und sozialgeschichtliche Entwicklung im Industriezeitalter.

 


Details zur Kerngalvanoplastik
Eine Kerngalvanoplastik enthält herstellungsbedingt, einen mit Wachsen und Harzen (Parafin und Kolophonium) durchtränkten Gipskern mit eingearbeiteten Kerneisen. Dieser Kern wurde galvanisch verkupfert, wodurch die eigentliche Plastik entstand.

Im Laufe der Zeit können sich feine Risse bilden, durch die Feuchtigkeit eindringen und im Inneren Korrosionsprozesse auslösen kann. Die Kerneisen vergrößern dadurch sehr stark ihr Volumen. Dies erzeugt einen hohen Druck im Inneren der Plastik, die Kupferhülle wird gesprengt und die Plastik gefährdet. Die Risse verlaufen dabei hauptsächlich in Vertiefungen (Linien, Faltenwurf, usw.), da die Kupferhülle in diesen Bereichen herstellungsbedingt besonders dünn und somit anfälliger ist.

Bei der vorliegenden Jünglingsfigur befanden sich die Schäden vornehmlich im Bereich der Hände. Durch die Korrosionsprozesse hatte sich in der Handfläche der linken Hand ein Riss gebildet. Am linken Arm sind im Verlauf von der Schulter bis zum Handgelenk drei weitere feine Risse in den Faltenwürfen aufgetreten. Bei der Ausführung der Restaurierung wurde ein weiterer, bis dahin unentdeckter Schadensbereich am Übergang zum kleinen Finger der rechten Hand festgestellt. In diesem Bereich, zwischen Ringfinger und kleinem Finger, war zur Handinnenfläche die Kupferhaut aufgerissen. Außerdem befanden sich entlang einer Gewandfalte im Rückenbereich drei feine Längsrisse. Bei diesen Rissen handelt es sich um Spannungsrisse. Diese entstehen durch die temperaturbedingte Bewegung der Kupferhaut. Durch die entstandenen Risse und Verletzungen in der Kupferhaut erhöht sich die Menge der eindringenden Feuchtigkeit, was die Korrosionsprozesse und den damit verbundenen Korrosionsdruck im Inneren der Plastik verstärkt. In der Folge werden die Risse in der Kupferhaut immer weiter aufgedrückt. Am Ende dieses Kreislaufes kann es zu dem Verlust einzelner Körperpartien der Plastik führen. In diesem Fall zunächst zum Abfallen von Fingern und Teilen der Hand. Es ist daher besonders wichtig diesen Prozess möglichst frühzeitig zu unterbrechen, um ein Fortschreiten des zerstörenden Verlaufs zu unterbinden.

In diesem frühen Stadium des Schadensprozesses war es möglich nur die bisher betroffenen Bereiche zu bearbeiten. Die vorhandenen Risse wurden geschlossen, um einen weiteren Feuchtigkeitseintrag zu verhindern. Dafür mussten die Bereiche in denen die Korrosionsprozesse im Inneren bereits zu einem Aufreißen der Kupferhaut geführt haben geöffnet werden. Anschließend wurden Kernmaterial und die korrodierten Kerneisen partiell entnommen, die nun hohlen Körperpartien von Innen feingestrahlt und mittels Laminieren mit Epoxidharz und Glasfasergewebe geschlossen. Die dabei freigelegten Kerneisen wurden konserviert. Im Anschluss wurden die bearbeiteten Teile mittels Kleben wieder an der Plastik montiert. Die entstandenen Hohlkörper wurden mit Belüftungsbohrungen versehen.

Ein solch frühzeitiges, vergleichsweise geringes Eingreifen kann die „Lebenserwartung“ der Plastik entscheidend verlängern. Durch die Restaurierung konnte der Erhaltungszustand der Figur nachhaltig verbessert werden.

Wir danken dem Restaurator im Handwerk Stefan Lasch-Abendroth und Dipl.-Rest. Anne-Christin Batzilla-Kempf für die gelungene Arbeit.

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