Die Bezeichnung „Brauthaus“ erinnert an die mittelalterliche Sitte, die auch die Evangelische Kirche zunächst beibehielt, die Brautleute „vor der Kirche“ (d.h. Brauthaus) rechtlich zusammenzugeben – Standesämter gab es ja damals noch nicht -, um dann die Trauung gleich anschließend am Altar stattfinden zu lassen. Die zivile Eheschließung des Brautpaares wurde also im Brauthaus vollzogen. Anschließend wurde die Braut mit geliehener Brautkrone und Hochzeitsschmuck festlich ausgestattet, bevor sie die Kirche durch die Brauttür betrat, um sich Gottes Segen zu holen. So manche Pastorenfrau verdiente sich etwas dazu, indem sie den Hochzeitsschmuck gegen entsprechende Gebühren verlieh.
Hier im Brauthaus wurden auch die – je nach Stand – unterschiedlich ausgeschmückten Taufkleider für die Täuflinge aufbewahrt und gegen Gebühr ausgeliehen.
Das Brauthaus wurde 1683 instand gesetzt.
So wurde in Moorburg früher geheiratet:
Der Hochzeitstag war für das Elternhaus der Braut ein Tag der Arbeit und Freude. Schon die Tage vorher war gebraten, gekocht und gebacken worden. Ein Ochse oder mehrere Kälber und ein Teil des Hühnervolkes hatten das Leben lassen müssen. Von Hamburg waren einige Tonnen Bier mit den Milchewern herübergekommen. Das Weintrinken kam erst in der Mitte des vorherigen Jahrhunderts auf. – Auf der Diele standen lange aus aufgelegten Brettern gebildete Tische, die mit weißen Linnen gedeckt waren.
Gegen Mittag ging es unter lautem Jubel in die Kirche, die Musik voran. Wagen reihte sich an Wagen; zuerst das Brautpaar mit dem Schemelführer und den Brautjungfern, dann die Eltern und zuletzt der lange Zug der Gäste. 150 bis 200 Personen waren keine Seltenheit. Wo man vorbeikam, schossen die jungen Burschen aus Pistolen. Wohnte man nahe bei der Kirche, ging es wohl auch zu Fuß. Der Küster war von der Braut gebeten worden, das Brauthaus aufzuschließen. Sonst konnte es wohl geschehen, daß der Hochzeitstag vor verschlossene Türen kam. Ein wenig Regen in den Kranz bedeutet noch heute Glück und Reichtum in der Ehe.
Um das Jahr 1800 fanden die Trauungen nach dem Bericht des Pastors Cropp im Pfarrhause statt; Perthes schreibt 1858, daß er in zwanzig Jahren nur eine Trauung in der Kirche vorgenommen hätte. Gewöhnlich waren sie zu seiner Zeit im Elternhaus der Braut. Heute sind Trauungen im Pastorat ganz abgekommen; sie finden fast ohne Ausnahme in der Kirche statt.
Schon mit Ausgang des 19. Jahrhunderts war es üblich, die geladenen Gäste erst zur kirchlichen Trauung mit Droschken und Kutschen abzuholen. Die Knechte erhielten ein gutes Trinkgeld. Jeder wollte natürlich so viel wie möglich Fahrten machen, und so jagten sie, was die Pferde nur hergeben konnten, auf den Deichen entlang, daß es nicht immer ganz ungefährlich war, sich ihnen anzuvertrauen. Das Brautpaar kam zuletzt und verließ als erstes die Kirche.
Die Braut trug den von der „Pastorschen“ ausgeliehenen Kranz. Der teuerste, also der, für den die höchste Gebühr zu zahlen war, war aus lebenden Myrten geflochten, die die Frau Pastor in mehreren Blumentöpfen selber zog, und mit künstlichen Rosen verziert. Der zweite und dritte bestand aus künstlichen Blumen, nur daß der letztere „ordinärer“ aussah.
Ähnlich war es mit den dazu gehörigen Brautsträußen. Im Winter gab es statt der Blumen Myrtenzweige.
Selbst die Ringe wurden im Pastorat geliehen. Einen Verlobungsring trug man nicht. Den Ehering benötigte man nur für die heilige Handlung. Selten, daß reiche Höfner sich eigene Ringe anschaffte; getragen wurden sie trotzdem nur bei besonderen, festlichen Gelegenheiten. – Die gegen Gebühr zu entleihenden Ringe werden noch heute im Pastorat aufbewahrt. Sie sind in allen Größen vorhanden, vollkommen schmucklos und scheinbar aus Messing verfertigt.
Wurde die Braut erst im Brauthaus geschmückt, erhielt sie auch auf Wunsch Kämme und Locken.
Die Gebühr für den gesamten aus dem Pastorat bezogenen Hochzeitsschmuck betrug je nach den Ansprüchen 12, 8 oder 6 Mark Kur.
Nachdem alles im Pastorat vollzählig versammelt war, trat der Prediger herein und beglückwünschte das Brautpaar. Der Küster stimmte den Gesang an. Beim zweiten Vers erhob sich der Bräutigam nach ihm alle männlichen Teilnehmer, um zu „opfern“; danach kam die Braut mit allen weiblichen Hochzeitsgästen. Sie schritten zu diesem Zweck vor dem Pastor an dem kleinen Opfertisch entlang, der für diesen Teil der Handlung besonders hingestellt worden war. Jeder war verpflichtet, eine Geldsumme, die sich zwischen einer und fünf Mark Kur. bewegte, hier niederzulegen. Während der Trauung blieb das Geld auf dem Tisch liegen.
Nachdem die Heirat vollzogen war, wurde das Hochzeitspaar von dem Schemelführer an den Brautschemel geführt, auf dem es während des Vaterunsers niederkniete und unter Handauflegen des Geistlichen den Segen erhielt. Eine besondere Ehre war es vom Landvogt oder gar von dem Landherrn „vor den Schemel geführt“ zu werden.
Ein weißes Brautkleid hat sich erst seit den Siebziger Jahren eingebürgert; bis dahin ging die Braut in schwarzer Seide. Den Ring trug sie wohl in einer eingenähter Tasche unter dem Rock, so daß es äußerst komisch wirkte, wenn sie ihn beim Ringewechsel hervorholte; der Bräutigam kramte ihn zwischen allen möglichen Utensilien aus seiner Hosentasche hervor. Man hütete sich, ihn bei dieser Gelegenheit fallen zu lassen. Das bedeutete baldigen Tod.
Beim Ineinanderlegen der Hände versuchte jeder, den Handrücken nach oben zu bekommen, um später in der Ehe „dat Seggen“ zu haben. Die Volksmeinung behauptet zwar auch in Moorburg, daß „Mannshand baben!“ sein müsse; aber nicht jede Frau erklärt sich damit einverstanden. Bei Trauungen in der Kirche war es ein übles Vorzeichen für die zukünftige Ehe, wenn ein Altarlicht stark flackerte oder gar erlosch. –
War die Trauung im Hause, gingen Pastor und Küster, der Chorrock und Kragen tragen mußte, bis zum Nachbarhaus, wo der Geistliche seinen Ornat anlegte. Die Tür zum Deich war mit Tannengrün umkränzt; desgleichen zogen sich durch die Diele Eichen- und Tannengirlanden, ein Brauch der heute noch geübt wird. An der Tür stand das Brautpaar, um Pastor und Küster zu empfangen und hineinzugeleiten. Der Pastor erhielt seinen Platz auf einem Stuhl hinter dem Opfertisch mit dem Blick gegen die Tür; das Brautpaar mußte ihr während der Trauung den Rücken zudrehen; so verlangte es das „Dekorum“. Im anderen Falle, behauptete man, würde das junge Paar bald wieder voneinanderlaufen.
Auch bei der Haustrauung wurde in derselben Weise geopfert. Erst zu Perthes‘ Amtszeit wurde es dahin geändert, daß man am Schluss der Trauung das Opfergeld für den Pastor auf den Tisch legte, wenn sich dieser in ein Nebenzimmer begeben hatte. Der Brautvater händigte ihm die ganze Summe aus.
Quelle: Mullheuner, Melkhökers un Sneurmokers, Hein Riek, Hans Christians Verlag, Hamburg 1975