Turmkugel und Wetterfahne

Die Kugel ist das Sinnbild des Universums, der sichtbaren Natur und der Welt. Die Turmkugel (oder auch Turmknopf) ist eine verschlossene Metallkapsel auf der Spitze des Kirchturms. Wegen der Unzugänglichkeit dient sie auch als sogenannte Zeitkapsel – ein sicherer Aufbewahrungsort für historische Zeugnisse aus der Zeit des Baus oder Umbaus, etwa Zeichnungen oder Münzen, aber auch Schriftstücke, die man der Nachwelt überliefern wollte. Dazu gehören Aufzeichnungen der Kirchengemeinde, Auszüge aus Geburts- und Totenregistern und Berichte über besondere Ereignisse zur Bauzeit.

Bei größeren Sanierungsarbeiten besonders am Dachstuhl des Kirchturms, werden die historischen Zeugnisse in der Kugel gesichtet und ergänzt sie mit Zeugnissen der Gegenwart.

Im Zuge der Bauarbeiten 1878 musste auch die Turmkugel der Moorburger Kirche heruntergenommen werden. In dem darin vorgefundenen kupfernen Kasten fand sich ein Bericht des Pastors Becker aus dem Jahr 1688 und einige alte Hamburger Münzen. Weiterhin entdeckte man auch einen Bericht von Pastor Perthes (1830 – 59 Pastor in Moorburg, Enkel von Matthias Claudius), bei dem folgender Satz einen Sturm der Entrüstung auslöste:
„Trunk und andere Ausschreitungen finden sich einzeln, namentlich bei den jungen Milchleuten, welche durch die Schenke auf dem Dampfboot und den Verkehr in der Großstadt der Verlockung dazu ausgesetzt sind.“
Die Milchleute forderten lautstark, dies Dokument müsse vernichtet werden und dürfe nicht wieder auf den Turm. Der Kirchenvorstand entschied in einer erregten Sitzung, ein Tatbestand sei wahrheitsgemäß ausgesprochen und festgehalten. Die Hamburger Presse spielte die Angelegenheit weiter hoch. Schließlich musste auch noch der Landherr eingreifen.
Als dann Pastor Dr. phil. Johannes Cropp (1866 – 81) erklärte, er werde Moorburg verlassen, wenn die Milchleute auf die Entfernung jener Berichtsbemerkung bestünden, trat Ruhe ein. Das Volk jedoch spottete: Pastor Cropp bringt de Melklüd in den Knopp! Bei der Neuweihe des Turms aber standen dann „Freund und Feind“ wieder friedlich nebeneinander und sangen andachtsvoll „Nun danket alle Gott“. Doch auch hierauf machte sich das Volk einen Reim: „Nun danket alle Gott, de Melklüd sünd nu rop …“ (nämlich auf dem Kirchturm).

Über dem Turmknopf dreht sich unter einem Kreuz eine Wetterfahne mit der Jahreszahl 1688.

Die Windfahne über dem Kirchenschiff ist ebenfalls von 1688 und soll – nach einer alten Zeichnung – die Maria Magdalena darstellen.

 

 

1928 stellte die Hamburger Synode auf Antrag von Pastor Geo A. Gerdts (1928-1947) Mittel bereit, den Turm mit Kupfer zu umkleiden. Die Turmspitze musste deshalb wieder einmal heruntergenommen werden. Auch diesmal wurde der Inhalt des Turmknopfs öffentlich ausgelegt. Nach Vollendung der Turmarbeiten wurden alle Dokumente nebst neuen des Kirchenvorstandes (eine von einer Moorburger Frau nach Tagebuchaufzeichnungen verfasste Kriegschronik, Münzen und Inflationsscheine und neue Stiftungen Moorburger Bürger) wieder im Knopf der neuvergoldeten Turmspitze für spätere Zeiten verwahrt.

 

 

 

 

 

Quelle: Mullheuner, Melkhökers un Sneurmokers, Hein Riek, Hans Christians Verlag, Hamburg 1975

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