Liebe Vahrendofer Gemeindemitglieder!
Jubeln sollen wir! Begeistert sein! Fröhlich bis über beide Ohren! Und Lebensfreude soll uns aus allen Poren platzen! Die für den dritten Sonntag nach dem Osterfest vorgeschlagenen Psalmverse sind durchzogen von Jubel und Dank:
„Jauchzet Gott, alle Lande! Lobsinget zur Ehre seines Namens; rühmet ihn herrlich! Er verwandelte das Meer in trockenes Land, sie gingen zu Fuß durch den Strom. Lobet, ihr Völker, unsern Gott, lasst seinen Ruhm weit erschallen.“ (Psalm 66,1.6.8)
Österliche Worte in der Hebräischen Bibel. Der Psalmbeter lebte und glaubte in der Gewissheit, dass Gott auch und gerade in belasteten Zeiten die Menschen nicht ihrem Schicksal überlassen würde. Und solche Hoffnung war nicht auf Treibsand gebaut. Wahrscheinlich wurden diese Psalmen immer wieder gesungen und gebetet, wenn viele Menschen zu großen jüdischen Festen den Tempelberg in Jerusalem hinaufstiegen. Und auf diesem gemeinsamen Weg zum Mittelpunkt der Anbetung Gottes, dem Tempel, wurden frühere Zeiten wachgerufen. Vor allem die Erinnerung daran, dass Gott alles Leben und die Welt geschaffen hat. Aber auch die Rückbesinnung auf die Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft: Wunderbar die Rettung auf der Flucht durchs Schilfmeer. Trockenen Fußes entkamen die Israeliten den Ägyptern. Erst im Rückblick wurde das ganze große Wunder erkannt. Erst in der Rückschau fanden sich Worte für dieses Wunder, frei zu sein. Und – da waren sich die Jerusalemer Betenden und Singenden einig – dafür dürfen wir Gott danken. Denn er bewahrt und behüte mit seinen bergenden Händen alles Leben durch alles Dunkel und durch alle Schrecken hindurch.
Und wir? Wir hören und lesen diese Jubelworte in Zeiten, die durch Corona verschattet sind. Trotz sonniger Tage, aufblühender Natur und zwitschernder Vögel – die Welt scheint auf den Kopf gestellt. Sorgen begleiten diesen Frühling. Die österliche Botschaft, dass Gott alle Finsternisse und selbst Sterben und Tod in neues Leben verwandeln wird, hat es schwer, wenn viele Wege nach vorne (noch) verstellt scheinen.
„Jauchzet Gott, alle Lande!“ Ich könnte alle verstehen, die bei dieser Aufforderung ein großes Fragezeichen im Gesicht haben, die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und nicht mitjubeln können. Denn vielfältig sind die Gründe, weshalb derzeit das Lächeln auf den Lippen gefrieren kann. Auch die Israeliten werden nicht fröhlich winkend durchs Schilfmeer gezogen sein. Durststrecken des Lebens werden nicht leichter und zu einem Jubelfest, wenn man die Augen vor der Wirklichkeit verschließt. Viele sehnen nach persönlichen Kontakten… und müssen doch zuhause sitzen. Andere sorgen sich um ihren Arbeitsplatz oder ihren Betrieb… und wissen nicht, wie es weitergehen wird. Kinder freuen sich, dass ihre Eltern mehr Zeit mit ihnen verbringen… und würden doch zu gerne wieder mit ihren Freunden herumtoben. Und nicht wenigen fällt allmählich zuhause die Decke auf den Kopf… und sehnen sich danach, unbeschwert einen Ausflug machen und die Sonne genießen zu können.
„Jauchzet Gott, alle Lande!“ Wir müssen nicht über unseren Schatten springen und so tun, als wenn alles prima ist. Auch die Psalmworte fordern ja nicht auf, die Augen vor Schwierigkeiten und Belastungen zu verschließen und sich in ein rosarotes Wolkenkuckucksheim zu träumen. Der Psalmbeter erinnert an die belasteten und dürren Zeiten. Und er jubelt seine Freude in den Himmel, dass Gott sich trotz allem und in allem eben nicht abgewendet hat.
Manchmal braucht es seine Zeit, dass man sagen kann: Gott sei Dank – in dieser Durststrecke des Lebens bin ich behütet und bewahrt. Mehr noch – und darauf macht uns der Psalmbeter aufmerksam. So recht begreifen und glauben kann man es vielleicht erst im Nachhinein: Der Gott, an den ich glaube, hat mich durch alles hindurchgetragen und den Weg ins Leben neu bereitet. Ja, es braucht wohl diesen Blick, bei dem man zurückschaut, welche Wegstrecke hinter einem liegt. Einen Blick, der erkennt, was man geschafft und welche Herausforderungen man bewältigt hat. Den Blick, bei dem einem plötzlich die Augen aufgehen, wie in dieser kleinen und recht bekannten Erzählung:
„Ein Mann hatte nachts einen Traum. Er träumte, dass er mit Gott am Strand spazieren ginge. Am Himmel zogen Szenen aus seinem Leben vorbei. Und für jede Szene aus seinem Leben waren Spuren im Sand zu sehen. Als er auf die Fußspuren im Sand zurückblickte, sah er, dass manchmal zwei, manchmal nur eine Spur da war. Er bemerkte weiter, dass sich zu Zeiten größerer Not und Trauer nur eine Spur zeigte. Deshalb fragte er den Herrn: „Herr ich habe bemerkt, dass zu den traurigen Zeiten meines Lebens nur eine Spur zu sehen ist. Du hast mir aber versprochen, stets bei mir zu sein. Ich verstehe nicht, warum du mich da, wo ich dich am nötigsten brauchte, allein gelassen hast.“ Da antwortete der Herr: „Mein lieber Freund, ich liebe dich und würde dich niemals verlassen. In den Tagen, in denen du mich am nötigsten gebraucht und am meisten gelitten hast, da habe ich dich getragen.“
„Jauchzet Gott, alle Lande!“
Amen.
Ihr Pastor Jörg Pegelow